11. Februar 2023

«Wochendiagnose: Räderzivilisation»

Mein kulturelles Highlight diese Woche war die Neupräsentation der Sammlung des Tinguely-Museums unter dem Titel «la roue = c’est tout».

Jean Tinguely lebte in eigenen Worten «in einer Räderzivilisation». Er starb Ende August 1991. Im selben Monat, wenige Tage zuvor, wurde am CERN in Genf das www-Protokoll erfunden, der Quellcode des Internets.

Eisen, Zahnräder, Motorenöl, Lärm und Bewegung: Die Zutaten, mit denen Tinguely bekannt wurde, haben im digitalen Zeitalter eine andere Bedeutung. Müsste man jedenfalls meinen. Und tatsächlich sind die Räder in zahlreichen Branchen und Wissenschaften unsichtbar geworden, sie knirschen und knarren nicht mehr, sie drehen sich virtuell. Es geht um Bits und Bytes, Klicks und Views, Hits und Matches.

Und doch bleiben die Räder in unserem Alltag sehr präsent: die Welt des Verkehrs beispielsweise ist im Räderzeitalter rollen geblieben. Zwar bringt ein modernes Auto heute mehr Rechenleistung als damals ein Grosscomputer. Fahren allerdings tut es immer noch auf Rädern. Dasselbe gilt für Eisenbahnen und Velos, und Flugzeuge landen auch heute noch auf Pneus.

Sie ist also doch noch nicht ganz vorbei, die Räderzivilisation. Tinguely’s Werke haben ihre Faszination auf jeden Fall behalten.

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